Das hochkarätig besetzte Podium (Foto: TPA/Karl Michalski)
Wien (pts/18.06.2018/11:48)
Ist unser aktuelles Steuersystem
fit für die Herausforderungen der Zukunft - rund um Digitalisierung und
Globalisierung? Oder braucht Österreich eine Revolution im Steuerrecht?
Das diskutierte eine hochkarätige Runde aus Wirtschaft, Wissenschaft und
Arbeitnehmervertretung auf Einladung von TPA. Fazit: Auf viele Fragen
rund um neue digitale Geschäftsmodelle und global tätige Player muss das
Steuersystem dringend Antworten finden - national und international.
Rasche und einfache Lösungen gibt es in der Steuergesetzgebung nicht -
darüber herrschte Konsens bei der Veranstaltung "Face Tomorrow" des
Beratungsunternehmens TPA, die am 13. Juni im Haus der Industrie in Wien
über die Bühne ging. Ansonsten gingen die Meinungen darüber, ob und in
welchem Ausmaß wir eine Revolution im Steuerrecht brauchen, teilweise
aber weit auseinander. Fakt ist: Das nationale und internationale
Steuerrecht hält nicht mehr Schritt mit aktuellen digitalen
Geschäftsmodellen wie (global tätigen) Onlineshops & Co. Was kann,
was muss dagegen getan werden? Und wie kann dieses gewaltige
Steuerpotenzial gehoben werden? Das wollten der Moderator des Abends,
Industriemagazin-Herausgeber Hans-Florian Zangerl, und Gastgeberin
Veronika Seitweger, TPA-Partnerin, mit ihren Gästen klären.
Gemeinsame Lösung dringend gefragt
Voestalpine Vorstandsmitglied Robert Ottel fordert einen gravierenden
Umbruch: "Wir sehen massive Veränderungen - bei den
Wertschöpfungsketten, durch die Digitalisierung, und auch durch die
Mobilität der Arbeitskräfte. Darauf müssen die Steuersysteme erst
eingestellt werden", ist der Spitzenmanager überzeugt. Die Umsetzung sei
jedoch schwierig, da der Steuerwettbewerb zwischen den Staaten eine
supranationale Lösung verhindere: "Dabei wäre eine solche gemeinsame
Lösung dringend notwendig", so Ottel.
Er fordert auch einfachere und schnellere Handlungsmechanismen für
die Unternehmen. Betriebsprüfungen dauerten viel zu lange, für jede
Kleinigkeit werden neue Regelungen entwickelt, kritisiert der
Voestalpine-Vorstand Gesetzgebung und Finanzverwaltung:
"Weiterwurschteln wie bisher reicht da nicht mehr."
Neue Antworten finden
Auch von Arbeitnehmerseite wurde die Forderung nach einer Revolution
im Steuerrecht bekräftigt - wenn auch mit anderem Fokus. Werner Muhm,
ehemaliger Direktor der Arbeiterkammer: "Wir müssen Antworten finden auf
aktuelle Tendenzen wie die sinkende Lohnquote, die digitalisierte
Wirtschaft oder shared economy - in diesen Bereichen entgehen uns die
Besteuerungssubstrate." Als größtes Problem im derzeitigen System sieht
Muhm die überhöhten Steuern im Bereich der Lohnabgaben - also beim
Dienstgeberbeitrag zum FLAF, Kommunalsteuer und
Wohnbauförderungsbeitrag. Hier fallen in Österreich um 7,5 Prozent mehr
Abgaben an als im Schnitt der anderen EU-Länder. Auch die
Ressourcenbesteuerung im Energiebereich sieht Muhm als dringend
notwendige Maßnahme für Österreich. Der effektive Körperschaftsteuersatz
sei für ein hochentwickeltes Industrieland dagegen nach wie vor
durchaus attraktiv.
Mehr indirekte Steuern gefordert
Keynotespeaker Christian Helmenstein, Bereichsleiter für
Wirtschaftspolitik und Chefökonom der Industriellenvereinigung, ortet
ebenfalls großen Handlungsbedarf, da sich die Umfeldbedingungen durch
die Digitalisierung und Internationalisierung in atemberaubendem Tempo
änderten. Die notwendigen Eckpunkte aus Sicht des Wirtschaftsexperten:
"Wir müssen mit der Steuerquote insgesamt auf ein Niveau unter 40 %
kommen, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Außerdem sollte
unser Steuersystem künftig stärker proportional und weniger progressiv
besteuern. Und: Wir müssen viel stärker auf indirekte Steuern setzen als
auf direkte - nur die führen zu einer ausgewogenen Spielanordnung im
Vergleich zu unseren internationalen Wettbewerbern."
Im Bereich der Digitalisierung werde das Steuersubstrat derzeit nicht
ausgeschöpft. "Dieses Potenzial könnten wir nutzen, um andere direkte
Steuern abzusenken." Sein konkreter Ansatz: "Durch die Aggregation von
Daten wird Wert geschaffen. Die Rechte an den Daten müssen wir zuordnen
und deren Nutzung besteuern."
Betriebsstätte neu denken
Zwar keine tatsächliche Revolution, sehr wohl aber deutliche
Anpassungen hält TPA-Partnerin und Steuerexpertin Iris Burgstaller für
unbedingt notwendig. An den Grundsätzen der österreichischen
Steuersystematik solle man festhalten, aber: "Es ist dringend
erforderlich, zu einem globalen Konsens zu kommen und international
Rechtssicherheit herzustellen." Dies sei zwar auf EU-Ebene weniger
problematisch, mit den USA oder China sei eine Akkordierung aber sehr
schwierig.
Entscheidend sei auch, dass es Unternehmen - vor allem KMU -
einfacher gemacht werde, ihren steuerlichen Pflichten nachzukommen. "Es
muss leichter werden, die Gesetze zu befolgen, und sie müssen
verständlicher werden, damit man nicht jahrelang Steuerrisiken
mitschleppt", so die Expertin. Das sei derzeit jedoch ein Wunschgedanke.
"Neben den Nationalstaaten kommen auch aus der OECD, den G20, der EU
laufend Ansätze für neue Gesetze und Regelungen. Es scheint derzeit
alles noch komplizierter zu werden", weiß die Expertin für
Internationales Steuerrecht.
Was die Anpassung des Steuersystems an die Digitalisierung betrifft,
gibt es zwar radikale Ansätze wie beispielsweise eine "Destination Tax",
bei der eine Besteuerung im Land des Point of Sales erfolgt. Allerdings
erscheint ein "Finetuning" der Besteuerung im Hinblick auf neue
Wertschöpfungstreiber - User, Daten, Plattformen, Kundenzufriedenheit -
eher auch auf international breiter Ebene umsetzbar, so Burgstaller.
Bessere Vorbereitung bei Steueränderungen
Eine Evolution statt einer Revolution im Steuerrecht fordert Michael
Lang, Vorstand des Institutes für Österreichisches und Internationales
Steuerrecht an der WU Wien. Und er kritisiert, dass die Gesetze zu wenig
durchdacht und geplant werden - sowohl auf österreichischer als auch
auf EU-Ebene. "Steueränderungen müssen sorgfältiger vorbereitet werden -
zuletzt gab es nicht einmal ausreichende Begutachtungsverfahren",
kritisiert der Universitätsprofessor: "Dabei wird das System durch
Zinsschranke & Co künftig noch komplizierter". Das
Einstimmigkeitserfordernis auf EU-Ebene sieht er als Hemmschuh für die
künftige Entwicklung - ebenso wie die "Hyperaktivität auf dem Gebiet der
direkten Steuern". Steuer-Aktionismus greife nur punktuell, kritisiert
Lang. Bemessungsgrundlagen zu harmonisieren, würde es für internationale
Unternehmen deutlich einfacher machen und führe auch zu einem
transparenteren Wettbewerb, so Lang.
Fazit von TPA-Partnerin Veronika Seitweger: "Es muss noch viele
Diskussionen wie diese geben, um zu nachhaltigen Veränderungen im
Steuersystem zu kommen."
TPA: Zahlen & Fakten
TPA ist eines der führenden Steuerberatungs- und
Wirtschaftsprüfungsunternehmen in Mittel- und Südosteuropa. Das
Dienstleistungsangebot umfasst Steuerberatung, Wirtschaftsprüfung und
Unternehmensberatung. Die TPA Gruppe ist in elf Ländern in Mittel- und
Südosteuropa tätig: Albanien, Bulgarien, Kroatien, Österreich, Polen,
Rumänien, Serbien, Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn. Die TPA
Gruppe beschäftigt rund 1.200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an 27
Standorten.
Die TPA Gruppe ist ein unabhängiges Mitglied der Baker Tilly Europe
Alliance. Das Baker Tilly International Netzwerk besteht aktuell aus 126
unabhängigen Mitgliedern in 147 Ländern mit insgesamt 33.600
Mitarbeitern und 796 Büros und zählt mit diesem Angebot zu den "Top Ten"
der weltweit tätigen Beratungsnetzwerke.