Kleinkind: Sprachentwicklung unterstützen (Foto: pixelio.de, Mike Frajese)
Columbus (pte/24.07.2018/06:00) Forscher der Ohio State University
https://osu.edu
haben eine überraschende Möglichkeit gefunden, die Fähigkeiten von
Kindern mit Störungen der Sprachentwicklung zu helfen: Die Eltern werden
dafür bezahlt, dass sie mit ihnen lesen. Für die aktuelle Studie wurde
insgesamt vier Techniken getestet, um Eltern und andere Pflegepersonen
dazu zu motivieren, eine 15 Wochen dauernde Maßnahme für die
Lesekompetenz der betroffenen Kinder durchzuführen.
Deutliche Verbesserungen bei Tests
Eine dieser Techniken, bei der die Eltern 50 Cent (USA) also rund
0,43 Cent (EU) für jede Lesesitzung erhielten, führte bei den Kindern zu
deutlichen Verbesserungen bei den Lesetests. Laut Forschungsleiterin
Laura Justice hatten die Wissenschaftler mit diesem Ergebnis nicht
gerechnet. Die drei anderen Techniken umfassten positives Feedback für
die Eltern, Ermutigung und das Vorzeigen, wie gelesen werden sollte,
damit die Kinder davon profitierten. Keiner dieser drei Ansätze erwies
sich als erfolgreich. Das Angebot eines Feedbacks hatte sogar leicht
negative Áuswirkungen auf die Testergebnisse der Kinder.
An der Studie nahmen 128 Eltern oder Pflegepersonen und ihre Kinder
teil. Alle Kinder waren vier oder fünf Jahre alt und verfügten über die
Diagnose einer Sprachentwicklungsstörung. Die meisten Pflegepersonen
lebten in Haushalten mit niedrigem Einkommen. Alle nutzten als Technik
Sit Together and Read (STAR) http://star.ehe.osu.edu
. Dieses Verfahren wurde von Justice gemeinsam mit einem Kollegen 2013
entwickelt. Es erwies sich in der Folge als besonders wirksam, wenn es
von Lehrern eingesetzt wurde. Den Kindern wird mit dem Ziel vorgelesen,
dass sie die Eigenschaften und Namen der Buchstaben des Alphabets und
Konventionen des gedruckten Worts wie die Leserichtung von links nach
rechts besser erkennen.
Eltern nur schwer zu motivieren
STAR hat sich in der Vergangenheit bereits als wirksam erwiesen. Das
Problem bestehe jedoch laut Justice darin, die Eltern dazu zu
motivieren, dass sie oft genug mit ihren Kindern lesen. "Wir haben
herausgefunden, dass 25 bis 50 Prozent der Eltern nicht lange genug
dabei bleiben, damit diese Technik auch funktionieren kann. Viele dieser
Eltern sind ärmer und verfügen über eine geringere Bildung." Die
Studienteilnehmer wurden angeleitet, ihren Kindern ein Buch pro Woche
vorzulesen und zwar zu vier verschiedenen Gelegenheiten. Insgesamt
sollten so 60 Leseeinheiten innerhalb von 15 Wochen stattfinden. Die
Pflegepersonen erhielten dafür genaue Anweisungen, wie die zur Verfügung
gestellten Bücher zu lesen waren. Alle Teilnehmer machten von den
Sitzungen Tonaufnahmen und führten schriftliche Aufzeichnungen.
Die Forscher trafen sich rund sechs Mal während des 16 Wochen
laufenden Programms. Jedes Kind wurde zu Beginn und nach der
Intervention beurteilt. Die Ergebnisse zeigten, dass die Kinder, deren
Eltern oder Pflegepersonen für das Lesen bezahlt wurden, deutliche
Fortschritte zeigten. Keine der anderen Techniken hatte eine positive
Auswirkung. Eine nähere Analyse ergab, dass die monetären Anreize vor
allem deshalb funktionierten, weil sie zu mehr Lesesitzungen mit den
Kindern führten. Ebenfalls positiv wirkte sich aus, dass sie beim Lesen
mehr mit ihren Kindern über die Eigenschaften der abgedruckten
Buchstaben und damit über einen entscheidenden Bereich von STAR redeten.
Zeitdruck entscheidend
Laut Justice kann eine derartige Studie jene Hürden identifizieren,
die die Eltern davon abhalten, das Programm vollständig durchzuführen.
"Unsere Studienergebnisse zeigen, dass wir die richtige Hürde gefunden
haben. Die Barriere, die in diesen Familien durch das Geld überwunden
wird, ist der Zeitdruck." Viele der Eltern, die das Programm nicht
beendeten, waren ärmer und weniger gebildet. Sogar die geringe
Geldmenge, die in dieser Studie eingesetzt wurde, durchschnittlich
erhielten sie innerhalb von 15 Wochen 31,50 USD, rund 27 Euro, reichte
aus, um sie davon zu überzeugen, dass es die aufgewendete Zeit wert war.
Laut Justice ist bekannt, dass nicht nur viele Lehrer der Idee einer
Bezahlung für das Lesen mit den Kindern nicht viel abgewinnen können.
Sie betont jedoch, dass die Zahlungen in dieser Studie eine sehr geringe
Investition mit sehr großen Vorteilen für die Kinder mit sich gebracht
habe. Denkbar wären laut der Expertin auch andere Anreize wie eine
Urkunde oder eine noch geringere Bezahlung. In diesem Bereich sei noch
mehr Forschung notwendig. Die Forschungsergebnisse wurden im "Journal of
Autism and Developmental Disorders" veröffentlicht.